Roman schreiben: die 9 häufigsten Fehler und wie du sie behebst
Du wolltest einen guten Roman schreiben und hast nichts dem Zufall überlassen. Aber dein Testleser-Urteil ist dennoch mies? Kein Grund zur Panik! Wahrscheinlich hast du einfach nur einen der neun folgenden Fehler gemacht.
Wenn dein Testleser-Urteil nicht so ausfällt wie erwartet, ist das kein Grund zur Panik. Kaum jemand kann direkt im ersten Anlauf einen perfekten Roman schreiben. Die Ursache ist die Komplexität eines Romans. Martha Alderson, die amerikanische Plot-Flüsterin, meinte einmal zu mir: „Manchmal kommst du dir beim Roman schreiben vor, als würdest du in Schichten arbeiten.“
Diese Aussage war ein Aha-Moment für mich. Steckt nicht im deutschen Wort Geschichte sogar das Wort Schicht? Eine Geschichte ist ein Ge-Schichte aus unzähligen Komponenten. Gerade wenn du zum ersten Mal einen Roman schreiben willst, ist es unmöglich, auf alle Dinge gleichzeitig zu achten. Deine Erstfassung hat zwangsläufig Schwächen. Mit einer Überarbeitung kannst du sie Schritt für Schritt beheben.
Fehler 1
Zu viel von allem – du wolltest einen Roman schreiben
Wer einen Roman schreiben will, hat meist ein ehrgeiziges Ziel im Auge. Ehrgeiz ist gut. Problematisch wird es, wenn das zu einem Ideen-Overload führt. Häufig geht dieser Fehler einher mit Fehler 2 oder Fehler 3.
Analyse: Was ist der Kern deiner Geschichte? Kannst du ihn in maximal drei prägnanten Sätzen auf den Punkt bringen? Wie viel Hintergrundwissen ist nötig, um deine Geschichte zu verstehen? Überprüfe dein Manuskript auf Info-Dump-Passagen, an denen mehr erklärt als gehandelt wird.
Fehlerbehebung: Frage dich, was du mit deiner Geschichte aussagen willst. Was ist ihr Kern? Worum geht es dir ganz persönlich? Trenne dich von allen Bestandteilen deiner Geschichte, die nicht zu dieser Aussage beitragen.
Fehler 2
Das Genre ist nicht erkennbar
Immer wieder begegnen mir Autoren, die einen Roman schreiben wollen, der alle Leser glücklich macht. Da heißt es dann zum Beispiel: „Das wird ein Krimi mit Science-Fiction und Love-Story und noch ein wenig Fantasy“ (und jetzt muss ich mich selbst auslachen, denn ich finde eine eigene Romanidee in diesem Satz wieder). Vergiss es! Du kannst mit deiner Geschichte niemals alle Leser zufriedenstellen.
Fokussiere dich auf ein Genre. Setze einen Schwerpunkt. Und sorge dafür, dass dieses Genre so schnell wie möglich im Anfang der Geschichte deutlich wird. Nur so bekommt deine Geschichte Kontur.
Analyse: Finde heraus, welches Genre deine Geschichte dominiert. Das kann eine reine Bauchentscheidung sein. Wichtig ist, dass du dich in dem Genre wohlfühlst, in dem du schreibst.
Fehlerbehebung: Entscheide dich für das dominierende Genre. Stelle es klar und deutlich in den Vordergrund. Sorge dafür, dass der Leser es so schnell wie möglich erkennt.
Fehler 3
Deinem Roman fehlt das Thema
Jede Geschichte hat ein Thema. In E.T. – Der Außerirdische geht es beispielswiese um Freundschaft. Die Tribute von Panem thematisieren den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit.
Gerade das Thema einer Geschichte verschwimmt meiner Erfahrung nach in einer Erstfassung sehr schnell. Das heißt nicht, dass es nicht vorhanden ist oder deiner Geschichte die Aussage fehlt. Sie geht unter zahlreichen anderen Konflikten und Problemen unter. Dadurch verliert deine Geschichte an Schlagkraft.
Analyse: Was ist dein Thema? Unabhängig von dem, was auf dem Papier steht – was wolltest du aussagen? Warum wolltest du diesen Roman schreiben?
Fehlerbehebung: Arbeite Szene für Szene durch. Was tun deine Figuren? Worüber reden sie? Versuche Handlungen und Aussagen, die nichts mit dem Thema deiner Geschichte zu tun haben, durch welche zu ersetzen, die dein Thema in irgendeiner Art verdeutlichen oder sich damit befassen.
Fehler 4
Es ist nicht klar, für wen du schreibst
Dieser Fehler hängt oft mit einem nicht erkennbaren Genre (Fehler 2) zusammen. Da gerade die Roman-Ideen immer sehr spontan und aus dem Bauch heraus entstehen, stellen wir uns meiner Erfahrung nach oft gar nicht die Frage, für wen wir den Roman schreiben. Aber sie ist entscheidend!
So ist es zum Beispiel ein großer Unterschied, ob du mit deiner Geschichte 20jährige oder 80jährige Leser ansprechen möchtest. Unterschiedliche Altersgruppen haben einen eigenen Wortschatz und eine grundverschiedene Sicht auf die Welt. Schreibst du für Männer? Für Frauen? Richtet sich deine Geschichte an Technik-Freaks oder Tierliebhaber?
Auch hier geht es wieder um den Charakter deiner Geschichte. Schärfe ihn, indem du dich auf eine Zielgruppe fokussierst.
Analyse: Frage dich, welche Leserschaft du mit deiner Geschichte ansprechen möchtest und was sie ausmacht. Hat sie einen eigenen Wortschatz? Bestimmte Ansichten? Was sind ihre Erwartungshaltungen? Habe keine Angst vor einer Entscheidung! Würdest du deine Haare kunterbunt färben, nur um sicherzugehen, dass sie jedem gefallen?
Fehlerbehebung: Gehe deinen Roman Schritt für Schritt durch. Passen die einzelnen Textpassagen zu deiner Leserschaft? Erfüllst du ihre Erwartungshaltung? Triffst du ihren Ton? Finde Testleser aus der Leserschaft, die du ansprechen möchtest und bitte sie um ein Feedback.
Fehler 5
Deine Hauptfigur hat kein Ziel
Ich behaupte: Nahezu jeder, der einen Roman schreiben will, weiß, dass seine Hauptfigur ein Ziel haben muss. Dennoch hakt es gerade an dieser Stelle immer wieder – auch in meinen eigenen Geschichten. Oft liegt die Ursache meiner Erfahrung nach hierbei häufig in der Diskrepanz zwischen Autorenwissen und Leserwissen. Sprich: Zwar sind dir die einzelnen Zwänge, Nöte und Bedürfnisse deiner Hauptfigur klar, aber in deiner Geschichte werden sie nicht deutlich genug.
Analyse: Was ist das Ziel deiner Hauptfigur? Wird es in deiner Geschichte deutlich? Bestenfalls suchst du dir ein paar Testleser. Sie müssen nicht einmal das gesamte Manuskript lesen. Können sie dir nach dem ersten Viertel der Geschichte das Ziel deiner Figur noch nicht benennen, hast du bereits verloren.
Fehlerbehebung: Sorge dafür, dass das Ziel deiner Hauptfigur so schnell wie möglich deutlich wird. Dazu zählt auch die gekonnte Argumentation. Dein Leser muss verstehen, warum dieses Ziel so wahnsinnig wichtig für deine Hauptfigur ist.
Fehler 6
Deine Hauptfigur verliert ihr Ziel aus den Augen
Nicht nur bei der Definition des Ziels deiner Hautpfigur kann beim Roman schreiben so einiges aus dem Ruder laufen. Gerade, wenn du dich während des Schreibens deinen kreativen Impulsen hingegeben hast und deine Figuren das berühmtberüchtigte Eigenleben entwickelt haben, passiert es recht schnell, dass deine Hauptfigur ihr Ziel aus den Augen verliert. Eine Veränderung des Ziels im Laufe der Geschichte muss nicht grundsätzlich schlecht sein. Erscheint sie jedoch willkürlich und planlos, stürzt das deine Geschichte ins Chaos.
Analyse: Welches Ziel hat deine Hauptfigur? Wie untermauerst und agumentierst du es im ersten Viertel deines Romans? Spielt dieses Ziel für die Auflösung deines Romans noch eine Rolle? Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Ziel einer Figur im Laufe eines Romans ändert. Da es sich aber um deine ersten Gehversuche in Sachen Roman schreiben handelt, ist es wahrscheinlich, dass etwas schiefgelaufen ist, wenn das Ende deines Romans das Ziel, welches du im Anfangsteil setzt, nicht aufgreift.
Fehlerbehebung: Im Idealfall spiegeln sich Anfang und Ende (siehe Fehler 9). Frage dich, was dem Thema (Fehler 3) deiner Geschichte am nächsten kommt. Ist es der Anfang oder der Schluss? Mitunter hast du im Anfangsteil auf ein falsches Ziel gesetzt? Baue von dem Teil ausgehend, der für dich stimmig ist, eine Kausalkette auf (Fehler 7), die sich kontinuierlich durch den gesamten Roman zieht.
Fehler 7
Deine Handlung beruht nicht auf Aktion und Reaktion
Während das wahre Leben unberechenbar, ungerecht, willkürlich und gnadenlos sein kann, vermittelt eine Geschichte genau das Gegenteil. Geschichten geben dem Leser das Gefühl, dass doch alles im Leben irgendwie einen Sinn ergibt. Geschichten beruhen immer auf Ursache und Wirkung.
Manchmal komme ich mir beim Schreiben vor, als würde ich Kausalketten erfinden, um dem Leser etwas beizubringen. Tatsächlich haben Schreiben und Unterrichten viel gemeinsam. Stück für Stück vermittelst du deinem Leser alle Details, die notwendig sind, um das große Finale begreifen zu können – logisch und emotional. Das heißt: Deine Figur unternimmt Schritt 1. Schritt 1 hat das Ergebnis 1 zur Folge. Aus Ergebnis 1 ergibt sich Schritt 2. Schritt 2 führt zu Ergebnis 2 usw. Deine Figur kann niemals Schritt 3 unternehmen, ohne zum Ergebnis 2 gelangt zu sein!
Analyse: Betrachte jeden Handlungsstrang deiner Geschichte für sich. Beruht er auf Aktion und Reaktion? Baut eine Szene auf die andere auf? Passieren Dinge aus dem Nichts heraus? Regiert der Zufall?
Fehlerbehebung: Fülle eventuelle Lücken in deinen Handlungsfäden und sorge dafür, dass der Leser immer alle Informationen hat, um zu verstehen, wie Ereignis 1 zu Ereignis 2 führen konnte. Eleminiere jegliche Form des Zufalls. Streiche Bestandteile deiner Geschichte, die nicht zu ihrer Auflösung beitragen.
Fehler 8
Du erzählst zu viel
Wir alle kennen den Satz „Show, don’t tell“ (zeige und erzähle nicht). Grundsätzlich ist das Erzählen jedoch nicht falsch – im Gegenteil. Problematisch wird es erst, wenn deine Geschichte
- unter einem Szenenmangel leidet
Erzählerische Passagen überwiegen deutlich. Dadurch baust du eine Distanz zum Leser auf, die nur noch schwer zu überwinden ist. - Zusammenhänge erklärt und nicht verdeutlicht
Dein Leser möchte auf Entdeckungsreise gehen. Erklärst du alles, behältst du ihm dieses Erlebnis vor. Ein Beispiel: In einer Geschichte gibt es ein gefährliches Spinnennetz. In Variante 1 erzählst du das einfach. In Variante 2 erfindest du eine Szene, in der ein kleines, süßes Kätzchen in dieses Spinnennetz läuft, von der Spinne totgebissen und gefressen wird. Was ist wirkungsvoller? 😉
Analyse: Fertige eine Tabelle an, in der du die einzelnen Kapitel deines Romans auflistest. Notiere, was erzählende und was szenische Passagen sind.
Fehlerbehebung: Prüfe, welche Momente deiner Geschichte wesentlich sind und essentielle Informationen enthalten. Überlege, wie du diese Momente szenisch umsetzen und die Informationen verdeutlichen kannst.
Fehler 9
Deine Hauptfigur verändert sich nicht
Auch wenn es immer wieder gepredigt wird – eine Geschichte muss nicht zwangsläufig schlecht sein, weil sich eine Hauptfigur nicht grundlegend verändert. Denken wir an James Bond, Indiana Jones oder Capt’n Kirk. Sie sind Akteure in sogenannten Action-Plots. Hier steht die Aktion, die Schatzsuche, Gangsterjagd, Eroberung oder Rettung im Vordergrund.
Fakt aber ist, dass die Welt am Ende des Romans in keiner Weise mehr dieselbe sein darf wie zu Beginn. Angenommen, du wirst auf der Straße im Dunkeln überfallen, kommst aber ohne größere Blessuren davon. Bist du danach noch derselbe Mensch wie vorher? Mit Sicherheit nicht! Das Ereignis hat dich verändert. Um diese Art von Veränderung geht es in Geschichten.
Analyse: Betrachte deine Figur und ihr Umfeld am Anfang und am Ende deines Romans. Worin besteht der Unterschied?
Fehlerbehebung: Fasse das Eröffnungsbild deines Romans und das Schlussbild jeweils auf einem Blatt kurz zusammen. Im Idealfall bilden sie einen starken Kontrast. Ist dieser Kontrast nicht vorhanden, verschärfe ihn! Er kann sich einmal mehr auf die Hauptfigur, einmal mehr auf die Welt beziehen, in der sie lebt oder beides.